Eskalationsstufen nach Glasl im Konfliktmanagement

Die 9 Eskalationsstufen: von win-win zu lose-lose

Konflikte gibt es überall: unter Partnern, Freunden und in jedem Team. Das ist völlig normal und nicht schlimm, solange eine bestimmte Grenze nicht überschritten wird. Diese Grenzen hat Konfliktforscher Friedrich Glasl in 9 Eskalationsstufen von “win-win” bis “lose-lose” eingeteilt. Erfahren Sie, wie diese Stufen aufgebaut sind und welche Rolle Agile Coaches in agilen Organisationen in der Konfliktlösung einnehmen.

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Eskalationsstufen nach Glasl kompakt definiert

„Die Eskalationsstufen nach Glasl“ ist ein Modell, um Konflikte zu klassifizieren und zu analysieren. Ziel des Modells ist es, die Entwicklung von Konflikten besser zu verstehen und zu beschreiben. Die Stufen helfen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und die richtigen Hebel zu finden, diese zu entschärfen.

Entwickelt vom Wiener Konfliktforscher Friedrich Glasl, beschreiben die neun Stufen konkrete Anhaltspunkte, um die aktuelle Konfliktdynamik einordnen zu können. Auf dieser Basis lassen sich Ideen für eine wirkungsvolle Konfliktbearbeitung ableiten. Wendet man das Modell regelmäßig an, führt es auf lange Sicht zu einem besseren Verständnis und damit idealerweise auch Umgang mit Konflikten.

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Konflikte und Konflikteskalation

Konflikte sind Teil des Lebens. Ob in der Familie, am Arbeitsplatz oder in zwischenstaatlichen Beziehungen – sie treten überall auf. Oft sind es einfache Meinungsverschiedenheiten, die sich zu Konflikten entwickeln. Dabei sind diese unterschiedlichen Perspektiven nicht grundsätzlich schlecht, im Gegenteil: Gesunde und konstruktive Konflikte tragen dazu bei, unterschiedliche Sichtweisen zusammenzubringen und gemeinsam zu einer hilfreicheren Lösung zu kommen. Problematisch wird es jedoch, wenn Konflikte allmählich eskalieren und sich niemand um Deeskalation bemüht.

Was sind Konflikte?

Ein Konflikt ist eine Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Personen oder Gruppen, die aufgrund unterschiedlicher Interessen, Meinungen, Bedürfnisse oder Werte entsteht. Im beruflichen Kontext können sie sich auf verschiedenen Ebenen abspielen, z.B. zwischen Kollegen, zwischen Abteilungen oder zwischen Unternehmen. Grundsätzlich lassen sich Konflikte in die folgenden sechs Kategorien einteilen:

  1. Sachkonflikte: Unterschiedlicher Meinungen oder Interessen bezüglich einer Sache, z.B. einer Entscheidung, einer Strategie oder einer Aufgabenverteilung.
  2. Beziehungskonflikte: Das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien ist durch negative Vorerfahrungen oder belastende Vorurteile gestört.
  3. Statuskonflikte: Einzelne Personen haben Angst, Einfluss oder Macht zu verlieren und verteidigen ihren Status.
  4. Rollenkonflikte: Erwartungen an eine Rolle oder Funktion in einer Organisation sind unklar oder widersprüchlich.
  5. Zielkonflikte: Konfliktparteien verfolgen unterschiedliche Ziele oder Prioritäten, die nicht miteinander vereinbar sind.
  6. Verteilungskonflikte: Die Konfliktparteien haben unterschiedliche Vorstellungen von einer gerechten Verteilung von begrenzten Ressourcen wie Geld, Zeit oder Arbeitsaufgaben.

Wie entstehen Konflikte?

Meist entstehen Konflikte über Interessen, Bedürfnisse oder Ziele, die nicht miteinander vereinbar sind. Auch Unterschiede in der Persönlichkeit oder in der Kommunikation führen zu Konflikten. Nicht selten spielen dabei auch unverarbeitete Auseinandersetzungen und Emotionen eine Rolle. Diese bauen sich über einen längeren Zeitraum auf und entladen sich schließlich in einer Konfliktsituation.

Im beruflichen Kontext kommen weitere Faktoren hinzu: Dazu gehören z.B. Unterschiede in der Arbeitsweise, Statuskonflikte aufgrund hierarchischer Strukturen oder Verteilungskonflikte bei der Zuordnung von Ressourcen. Auch Kommunikationsprobleme, unklare Zuständigkeiten oder unzureichende Mitarbeiterführung führen zu Konflikten im Arbeitsumfeld. Auch in einer Phase der Teamfindung, der sogenannten Storming-Phase, entstehen oftmals Reibungspunkte. Werden Konflikte nicht frühzeitig erkannt und bearbeitet, beeinträchtigt dies das Arbeitsklima und führt in der Folge zu Leistungseinbußen.

Warum eskalieren Konflikte?

Konflikte eskalieren aus unterschiedlichen Gründen. Hier die häufigsten Ursachen:

  • Eine Konfliktpartei fühlt sich nicht verstanden oder gehört. Sie hat das Gefühl, dass ihre Interessen oder Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden.
  • Die Konfliktparteien machen sich gegenseitig Vorwürfe oder treffen verletzende Aussagen.
  • Die Konfliktparteien verharren in ihrer Perspektive und versuchen nicht die Beweggründe der anderen Seite nachzuvollziehen.
  • Den Beteiligten fehlt die Fähigkeit, Konflikte einzuordnen und an ihnen zu arbeiten.
  • Eine Konfliktpartei ist nicht bereit, mit der anderen zusammenzuarbeiten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
  • Die Konfliktparteien sprechen übereinander, aber nicht miteinander.

Wenn Konflikte bearbeitet werden, können sie sich immer weiter aufschaukeln und schließlich zu einem offenen Konflikt oder sogar zu einer nachhaltigen Schädigung führen.

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Phasen der Konflikteskalation von win-win zu lose-lose

Glasl unterteilt die Eskalationsstufen in drei Hauptphasen: die Win-Win-, Win-Lose- und Lose-Lose-Phase. Sie spiegeln jeweils eine unterschiedliche Intensität der Eskalation wider.

Was ist eine Win-Win-Situation?

Konflikte in der Win-Win-Phase zeichnen sich dadurch aus, dass beide Parteien aktiv an einer gemeinsamen Lösung arbeiten. Ihr Ziel ist es, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Die Konfliktparteien kommunizieren offen und respektvoll miteinander, suchen gemeinsame Ziele und arbeiten zusammen an einer kreativen und integrativen Lösung. In dieser Phase gibt es noch keine klare Trennung zwischen den Parteien und beide Seiten versuchen, ihre Interessen zu berücksichtigen.

Was ist eine Win-Lose-Situation?

In der Win-Lose-Phase hingegen ist die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien gestört und es kommt zu einem Machtkampf. Beide Seiten versuchen, ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Diese Haltung sorgt dafür, dass eine Seite verlieren muss. Der Konflikt wird als Kampf zwischen gut und böse, richtig und falsch wahrgenommen. Beide Seiten haben das klare Ziel als Gewinner aus dem Konflikt hervorzugehen. Der Konflikt wird nicht mehr als ein Problem gesehen, das gemeinsam gelöst werden kann.

Was ist eine Lose-Lose-Situation?

In der Lose-Lose-Phase sind die Konfliktparteien so stark in den Konflikt verstrickt, dass beide Seiten unabhängig vom Ausgang des Konflikts Verluste erleiden werden. Die Eskalation ist so weit fortgeschritten, dass eine Lösung kaum noch möglich erscheint und die Gefahr eines völligen Zusammenbruchs der Beziehung besteht. In dieser Phase geht es nicht mehr um eine Lösung, sondern darum, dass die andere Konfliktpartei möglichst großen Schaden nimmt. Dafür nimmt man eigenen Schaden (in Extremfällen sogar den eigenen Tod) in Kauf.

Die neun Eskalationsstufen im Detail

Von der einfachen Meinungsverschiedenheit bis zur offenen Feindseligkeit durchlaufen Konflikte verschiedene Eskalationsstufen. Über seine Konflikttheorie hat Friedrich Glasl diese in neun hierarchische Eskalationsstufen definiert. Sie umfassen verschiedene Verhaltensweisen und Merkmale, die typischerweise in Konfliktsituationen auftreten.

Stufe 1: Verhärtung

In der ersten Eskalationsstufe bemühen sich die Konfliktparteien noch um eine Win-Win-Lösung. Die Beteiligten nehmen die Situation zunächst gar nicht nicht als Konflikt wahr. Es zeigen sich jedoch erste Anzeichen einer Verhärtung der Positionen. Die Parteien sind in der Regel noch in der Lage, sachliche Argumente auszutauschen. Die Bereitschaft, den Standpunkt des anderen zu akzeptieren, nimmt allerdings ab. Es kommt vermehrt zu Missverständnissen und es wird über- oder fehlinterpretiert.

In dieser Stufe verfolgen die Konfliktparteien in erster Linie ihre Interessen. Sie möchten die eigene Position durchsetzen und Nachteile vermeiden. Beide Parteien sind offen für eine gemeinsame Konfliktlösung und bereit, die eigene Position zu reflektieren und gegebenenfalls auch Eingeständnisse zu machen.

Stufe 2: Polarisation und Debatte

In der zweiten Eskalationsstufe versuchen die Konfliktparteien weiterhin, eine gemeinsame Lösung zu finden. Der Austausch von Argumenten bis hin zur vertieften Diskussion steht nun stärker im Vordergrund. Es kommt zu Schwarz-Weiß-Denken, bei dem die andere Konfliktpartei zunehmend als Gegner wahrgenommen wird. Kommunikation und Kooperation werden schwieriger, da die Gegensätze stärker hervortreten und aus kleinen Spannungen schnell offene Wortgefechte werden.

Die Konfliktparteien verfolgen in dieser Phase das Ziel, ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zu verteidigen und durchzusetzen. Es geht darum, die eigene Position zu stärken und möglichst viele Vorteile zu erlangen. Da dies jedoch häufig nur auf Kosten der anderen Partei möglich ist, sind die Konfliktparteien zunehmend in einem Konkurrenzdenken gefangen. Sie sehen oft nicht die Möglichkeit, gemeinsame Lösungen zu finden.

Stufe 3: Taten statt Worte

In der dritten Eskalationsstufe „Taten statt Worte“ lässt sich eine deutliche Verschärfung des Konflikts wahrnehmen. Die Konfliktparteien nehmen keine Rücksicht mehr auf Argumente und wollen ihre eigene Meinung durchsetzen. Anstelle der verbalen Auseinandersetzung treten nun Taten in den Vordergrund. Der Konfliktgegner wird bewusst ignoriert oder es kommt zu Reaktionen und Handlungen, die dem Gegenüber persönliche Unzufriedenheit signalisieren.

Obwohl es in dieser Phase immer schwieriger wird, zu einer Einigung zu kommen, streben die Konfliktparteien immer noch eine Win-Win-Lösung an. Allerdings geraten die Beteiligten in einen Teufelskreis aus Druck und Eskalation, der eine Lösung erschwert. In dieser Phase geht es vor allem darum, den eigenen Standpunkt durchzusetzen und den Druck auf den Konfliktgegner zu erhöhen. Gelingt den Parteien der Ausbruch aus dem Teufelskreis von Eskalation und Druck, kann eine gemeinsame Lösung noch möglich sein.

Stufe 4: Sorge ums Image

In der vierten Eskalationsstufe beginnen die Konfliktparteien Verbündete zu gewinnen. Ziel ist es, mit deren Unterstützung die jeweils eigene Position zu stärken. Es geht nicht mehr um eine sachliche Lösung, sondern um den Sieg über den Gegner. Es bilden sich verschiedene Lager, die versuchen, Verbündete für sich zu gewinnen und eine zahlenmäßige Mehrheit zu erreichen. Diese scheinbar demokratische Gruppe soll die eigentlichen Entscheidungsträger von ihrem Recht überzeugen. Oft versuchen die Konfliktparteien, den Gegner zu denunzieren und zu verunglimpfen, um ihre eigene Position zu stärken.

In dieser Phase geht es also nicht mehr um eine Win-Win-Lösung, sondern es ist wahrscheinlich, dass es einen Verlierer geben wird. Die Ziele der Konfliktparteien haben sich verschoben und die sachliche Lösung steht nicht mehr im Vordergrund.

Stufe 5: Gesichtsverlust

Die fünfte Eskalationsstufe ist durch direkte und persönliche Angriffe gekennzeichnet. Sie sollen den Gegner bloßstellen und moralisch abwerten. Auf dieser Stufe werden logische Argumente nicht mehr berücksichtigt. Die Konfliktparteien setzen darauf, die moralische Glaubwürdigkeit des Gegners in Frage zu stellen und ihn lächerlich zu machen. Die Eskalation führt dazu, dass Moral und gegenseitiges Vertrauen verloren gehen und eine sachliche Klärung des Konflikts kaum noch möglich sein wird.

In dieser Phase verfolgen die Konfliktparteien das Ziel, den Konflikt zu gewinnen. Der Umgang miteinander ist von persönlichen Angriffen und Unterstellungen geprägt. In dieser Phase der Eskalation gibt es in der Regel einen Verlierer, da eine sachliche Klärung nicht mehr möglich ist und eine Seite den Konflikt gewinnen muss. Der Verlust an Ansehen und moralischer Glaubwürdigkeit kann schwerwiegende Folgen haben, nicht nur für die Konfliktparteien, sondern auch für das Arbeitsumfeld und die Beziehungen zwischen den Beteiligten.

Stufe 6: Drohstrategien

Die sechste Stufe, die Glasl als „Drohstrategien“ bezeichnet, ist die letzte Stufe der Win-Lose-Phase. In dieser Phase verfolgen die Konfliktparteien das Ziel, den Gegner zum Nachgeben zu zwingen. Sie beinhaltet den Einsatz von Drohungen, um die Kontrolle über den Gegner zu erlangen. Charakteristisch für den Umgang der Konfliktparteien in dieser Phase sind Aggressivität, Manipulation und der Versuch den Gegner zu beherrschen. Es geht darum, den Konfliktgegner zu besiegen und die eigene Macht zu demonstrieren.

Die Eskalation des Konflikts wird in dieser Phase oft als unvermeidlich angesehen und die Konfliktparteien sind bereit, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Ziele zu erreichen. Dabei geht es häufig um den Erhalt von Macht, Status oder Positionen, was zu einer Verschärfung des Konflikts führt.

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

In der siebten Eskalationsstufe haben die Konfliktparteien jegliche Kontrolle verloren. Sie befinden sich in einer Lose-Lose-Situation, in der es nur Verlierer geben kann. Die beteiligten Parteien konzentrieren sich nur noch darauf, dem anderen möglichst viel Schaden zuzufügen, ohne Rücksicht auf eigene Verluste oder Moral. Die Eskalation hat ein unkontrollierbares und destruktives Ausmaß erreicht.

In diesem Stadium sind die Ziele der Konfliktparteien nicht mehr auf die Lösung des Konflikts oder die Wiederherstellung der Beziehung ausgerichtet. Es geht nur noch um die Vernichtung des Gegners, um Rache oder Bestrafung. Die Konfliktparteien streben nach Dominanz und Kontrolle über den anderen, auch wenn dies für beide Seiten schweren Schaden bedeutet. Die Kommunikation ist völlig gestört und es gibt keine Möglichkeit mehr, den Konflikt friedlich zu lösen. Professionelle Hilfe ist notwendig, um eine weitere Eskalation und mögliche Gewalt zu verhindern.

Stufe 8: Zersplitterung

Zwischen den Konfliktparteien herrscht ein extrem aggressives und feindseliges Verhältnis. Die Beteiligten sind zu physischen, materiellen, psychischen und intellektuellen Angriffen bereit. Ziel ist es, das Netzwerk des Gegners zu zerschlagen und ihn dadurch zu isolieren. Auf dieser Eskalationsstufe gibt es keinen Raum mehr für Kooperation, Verhandlungen oder Kompromisse. Die Konfliktparteien sind fest davon überzeugt, dass es nur einen Sieger geben kann und dass sie selbst der Sieger sein müssen.

Die Ziele der Konfliktparteien auf dieser Eskalationsstufe sind destruktiv und extrem egoistisch. Es geht nicht mehr darum, den Konflikt zu lösen oder einen Kompromiss zu finden, sondern darum, den Gegner völlig zu vernichten. Die Konfliktparteien sind sehr stark polarisiert. Sie sind nicht mehr in der Lage, die Perspektive des Gegners zu verstehen oder sich auf gemeinsame Interessen zu konzentrieren.

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

In der neunten und letzten Eskalationsstufe gehen die Kontrahenten „gemeinsam in den Abgrund“. Es gibt kein Zurück mehr. Beide Konfliktparteien nehmen sogar die eigene Vernichtung in Kauf. Jedes Gespräch führt zu einer weiteren Eskalation und die Situation ist so emotional aufgeladen, dass die Vernunft keine Rolle mehr spielt.

Die Ziele sind in dieser Phase sehr egozentrisch. Es geht nur noch darum, einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Auf dieser Eskalationsstufe gibt es keine Selbstkontrolle und kein rationales Handeln mehr. Nur professionelle Unterstützung von außen kann eventuell noch helfen, die Situation zu entschärfen.

Konflikte deeskalieren oder auflösen

Konflikte lassen sich je nach Eskalationsstufe auf unterschiedliche Weise lösen oder deeskalieren. Während Konfliktparteien in der Win-Win-Phase oft in der Lage sind, den Konflikt selbst zu lösen, braucht es spätestens ab der Win-Lose-Phase eine unparteiische Unterstützung. Doch schon am Anfang ist es oft sinnvoll, einen Coach hinzuzuziehen. Dieser vermittelt Techniken oder hilft bei der Reflexion im Einzelgespräch.

Ein Agile Coach im Gespräch mit einer Konfliktpartei
In Einzelgesprächen helfen Agile Coaches Empathie aufzubauen und die eigene Position zu hintefragen.
In Einzelgesprächen helfen Agile Coaches Empathie aufzubauen und die eigene Position zu hintefragen.

Warum sollte man Konflikte deeskalieren?

Ab einer bestimmten Eskalationsstufe sind Konflikte nicht mehr konstruktiv. Sie führen zu massivem Vertrauensverlust, Arbeitsunzufriedenheit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ungelöste Konflikte sind für Unternehmen oft ein erheblicher Kostenfaktor. Laut mehreren internationalen Studien führen sie zu verminderter Arbeitsleistung, erhöhten Krankenständen, Fluktuation und einem schlechten Betriebsklima.

Wie kann man Konflikte deeskalieren?

Teams oder Einzelpersonen können ihre alltäglichen Meinungsverschiedenheiten meist selbst lösen. Kommt ein Konflikt in die Win-Lose-Phase, ist eine aktive Begleitung durch einen Mediator oder professionellen Konfliktberater notwendig. In dieser Phase haben die Konfliktparteien unterschiedliche Ziele und es ist schwierig, eine Einigung zu erzielen. Der Mediator unterstützt die Parteien dabei, eine Kommunikationsbasis zu schaffen, ihre Interessen und Bedürfnisse zu klären und schließlich eine gemeinsame Lösung zu finden. Werden die Konfliktparteien frühzeitig professionell unterstützt, um lässt sich meist eine Eskalation vermeiden und sie können, eine faire und nachhaltige Lösung erzielen.

So können Teams, die Konflikte erfolgreich bewältigen, oft bessere Beziehungen aufbauen und wesentlich effektiver handeln. Ausgeprägte Konfliktfähigkeit gehört zu den wichtigsten Kompetenzen von High Performance Teams. Sie erzielen nicht nur mehr, sondern vor allem auch brauchbarere Ergebnisse.

Eine gesunde Konfliktkultur trägt dazu bei, neue Perspektiven zu erkennen und Innovationen hervorzubringen. Aus diesem Grund ist Konfliktkompetenz ein wichtiges Element agilen Arbeitens. Sie schafft einen Raum, in dem Vertrauen wächst, die psychologische Sicherheit zunimmt und damit auch der Zusammenhalt im Team.

Wenn Personen, Abteilungen oder ganze Organisationen den ganzen Mist, den sie in einem Konflikt produziert haben, im Nachgang aufgreifen und bearbeiten, kann daraus ein fruchtbarer Dünger für ihre Entwicklung werden.

Friedrich Glasl
Konfliktforscher und Ökonom

Ein systematisches Vorgehen hilft ihnen dabei, Konflikte strukturiert zu deeskalieren. Ganz gleich, ob in Selbsthilfe oder moderiert durch einen Coach, empfehlen sich folgende vier Phasen als übergreifender Leitfaden: Vorbereitung, Check-in, Dialog und Lösungen.

  • In der Vorbereitungsphase sollten die Rahmenbedingungen geklärt und die Haltung der Gesprächsteilnehmer erläutert werden. Es geht darum, ein vertrauensvolles Klima zu schaffen und das Gespräch strukturiert zu gestalten.
  • Im Check-in werden Stimmung abgefragt und Ziele des Gesprächs abgestimmt, um eine gemeinsame Basis zu schaffen.
  • In der Dialogphase geht es darum, die Perspektiven der Konfliktparteien nacheinander zu klären und aktiv zuzuhören, anstatt zu bewerten. Dabei werden Fragen gestellt, um ein besseres Verständnis für die Sichtweisen und Bedürfnisse des Gegenübers zu entwickeln.
  • In der Lösungsphase werden Anforderungen definiert, Vorschläge gemacht und Kompromisse gesucht, um eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Neben dem Vorgehen und einer unterstützenden Begleitung ist es hilfreich, wenn die Beteiligten sich in Vorbereitung auf einen Austausch die grundlegenden Regeln des Feedback-gebens bewusst machen.

Kooperations- und Leistungsqualität hängen eng zusammen: Wo Konflikte gären, da werden keine guten Ergebnisse erzielt.

Friedrich Glasl
Konfliktforscher und Ökonom

Die Auflösung oder Deeskalation von Konflikten sieht abhängig von der Eskalationsstufe sehr unterschiedlich aus. Laut Glasl können den neun Eskalationsstufen folgende Lösungsansätze gegenübergestellt werden:

  • Stufe 1 bis 3: Selbsthilfe und Coaching
  • Stufe 3 bis 5: Externe Prozessbegleitung und Vermittlung
  • Stufe 4 bis 6: Externe sozio-therapeutische Maßnahmen
  • Stufe 5 bis 7: Professionelle Vermittlung und Mediation
  • Stufe 6 bis 8: Freiwilliges/verpflichtendes Schiedsverfahren oder gerichtliches Verfahren
  • Stufe 7 bis 9: Machteingriff von oben

Selbsthilfe mit Kommunikationstechniken

Insbesondere am Anfang können Konfliktparteien sich selbst helfen. Ein systemisch-ausgebildeter Agile Coach kann Kommunnikations- und Lösungstechniken vermitteln. Er muss zu diesem Zeitpunkt jedoch in der Regel nicht aktiv involviert werden.

Grundsätzlich funktioniert die Selbsthilfe auf drei Ebenen:

  1. Reflexionskompetenzen
  2. Kommunikationskompetenzen
  3. Lösungskompetenzen

Für die Kommunikation zwischen den Parteien helfen Techniken wie gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg oder aktives Zuhören. Damit sie die inhaltliche Ebene verstehen und einordnen können, benötigen sie Methoden zur Analyse. Hier helfen zum Beispiel gezielte Perspektivwechsel oder der Einsatz von systemischen Fragetechniken.

Agile Retrospektiven als Konfliktprävention

Eine Möglichkeit, um Konflikte innerhalb einer Gruppe frühzeitig zu erkennen oder sogar präventiv zu bearbeiten, sind agile Retrospektiven. In diesem durch einen Agile Coach moderierten Format betrachten Teams ihre Zusammenarbeit der letzten Wochen. Auf diese Weise werden Themen, die zu Konflikten führen könnten in einem ritualiserten Format besprochen.

Für die Agile Retrospektive kann der Coach aus diversen Methoden wählen. Eine einfache Variante ist die Keep-Start-Stop-Retro. Hierbei werden dem Team drei Fragen in Bezug zu ihrer Zusammenarbeit gestellt:

  1. Keep: Was lief gut und sollte beibehalten werden?
  2. Start: Womit sollten wir starten, um bessser zu werden?
  3. Stop: Was sollten wir nicht noch einmal machen?

Im Rahmen des Formats befasst sich jedes Teammitglied für einige Minuten alleine mit diesen Fragen. Im Anschluss werden die Antworten reihum vorgestellt und Gesprächsschwerpunkte ermittelt. So entscheidet die Gruppe, für welche Themen sie Lösungen finden möchte und sorgt für Deeskalation in den größten Spannungspunkten.

Externe Prozessbegleitung durch Coaches

Für die Eskalationsstufen 3 bis 5 ist häufig eine externe Prozessbegleitung und Vermittlung zwischen den Konfliktparteien notwendig. Diese Begleitung sollte idealerweise durch einen ausgebildeten systemischen oder Agilen Coach erfolgen. Ab der Stufe 4 ist eine Zusatzqualifikation im Bereich Mediation empfehlenswert.

Coaches bringen verschiedene Techniken mit, wie z.B. den systemischen Rollentausch, den Problem-Mapping-Canvas (s.u.) oder eine Gesprächsführung nach dem GROW-Modell. Unabhängig von der Methode durchlaufen die Parteien die vier KULT-Gesprächsphasen:

  1. Klärung: Worin besteht der Konflikt?
  2. Ursachen: Warum ist es zum Konflikt gekommen?
  3. Lösung: Was muss erfüllt sein, um den Konflikt zu lösen?
  4. Transfer: Wie können die Parteien aktiv werden?

Mit Hilfe systemischer Fragen unterstützen die Coaches die Konfliktparteien dabei, ihre Bedürfnisse, Sichtweisen und Ziele zu reflektieren und verständlich zu machen.

Problem Mapping Canvas als agile Methode zur Problem-Analyse
Problem Mapping ist eine Möglichkeit, um Konflikte zu verstehen und Lösungen zu entwickeln.
Problem Mapping ist eine Möglichkeit, um Konflikte zu verstehen und Lösungen zu entwickeln.

Ziel der Begleitung ist es, Kommunikationsdefizite zu überwinden, das Gespräch zu versachlichen und das gegenseitige Einfühlungsvermögen zu stärken. Durch die Begleitung können die Parteien oft eine gemeinsame Lösung finden und eine Eskalation des Konflikts vermeiden.

Professionelle Mediation

Ab der Win-Lose-Phase ist eine professionelle Mediation zwischen den Konfliktparteien nötig, da die Fronten verhärtet sind und die Parteien häufig nicht mehr in der Lage sind, den Konflikt alleine zu lösen. Ein Mediator fungiert als unabhängiger Dritter und hat eine allparteiliche Sicht auf den Konflikt.

Agile Coach als Mediator
Mediatoren unterstützen beide Parteien, ihre Sichtweisen verständlich zu machen.
Mediatoren unterstützen beide Parteien, ihre Sichtweisen verständlich zu machen.

Ein Mediator vermittelt in Konflikten dieser Eskalationsstufen, indem er die Parteien durch einen formell strukturierten Prozess führt. Je nach Kontext ist dieser sogar juristisch geregelt. In diesem Ablauf hilft er den Parteien, die Ursachen des Konflikts zu identifizieren und ihre Standpunkte sowie Interessen zu klären. Der Mediator fördert den Austausch zwischen den Parteien durch aktives Zuhören und Verständnis für die Perspektive des anderen. Durch gezielte Fragen und Methoden hilft er den Parteien, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Ziel des Mediators ist eine für beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung, die eine langfristige Beziehung auf Augenhöhe ermöglicht.

Schiedsverfahren und Machteingriff von oben

Ab der Eskalationsstufe 6 ist eine unabhängige Schlichtung durch ein Schiedsverfahren erforderlich. In dieser Phase haben die Konfliktparteien bereits einige Eskalationsstufen durchlaufen und sind zu einem Punkt gelangt, an dem es keine Möglichkeit mehr gibt, den Konflikt allein oder mit Unterstützung zu lösen. Die Parteien haben ein hohes Maß an Feindseligkeit aufgebaut und sind nicht mehr bereit, Kompromisse einzugehen. In einer solchen Situation muss ein Schiedsverfahren eingesetzt werden, um eine gerechte und endgültige Entscheidung zu treffen, die für beide Parteien bindend ist.

Ein Schiedsverfahren hilft bei einem Konflikt dieser Stufen, indem es eine unabhängige, neutrale Partei einbezieht, die eine objektive Sicht auf den Konflikt hat. Die Schiedsrichter werden in der Regel von beiden Parteien akzeptiert und sind Experten auf ihrem Gebiet. Sie hören sich beide Seiten des Konflikts an, sammeln Beweise und treffen eine Entscheidung, die für beide Parteien verbindlich ist. Dieses Verfahren bietet eine letzte Chance, den Konflikt auf eine faire und angemessene Weise zu lösen, ohne dass eine Partei einseitig bevorzugt wird. Das Schiedsverfahren kann auch dazu beitragen, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden und eine lange gerichtliche Auseinandersetzung zu verhindern.

Fazit zu den Eskalationsstufen nach Glasl

Konflikte gehören im privaten, politischen und beruflichen Alltag dazu. Mit seinen neun Eskalationsstufen hat Friedrich Glasl ein hervorragendes Modell entwickelt, um Konflikte besser zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Auf diese Weise können Führungskräfte im agilen Umfeld Teams dabei unterstützen, sich sicherer zu fühlen, kreativer und mutiger zu agieren. Zudem schaffen sie die Rahmenbedingungen für eine agile Organisation.

Impulse zu Innovationen & agilen Arbeitswelten

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