Teilnehmer einer Teamgeist Session von Me & Company

Team Foundation Model: Agile Methoden und erfolgreiche Teams

Sie ist da, die neue Arbeitswelt. Konzerne und Mittelständler haben einen Plan gemacht und sind auf die Reise gegangen. Ein bisschen Scrum hier, ein paar Spotify Tribes dort – Initiativen und Maßnahmen werten die aktuellen Jahresberichte auf. Damit die „New ways of working“ ein Team erfolgreich machen und nicht als hippe Trends degradiert werden, braucht es jedoch eine andere Perspektive.

Schon bei unserer Gründung im Jahr 2012 entschieden wir uns bei Me & Company: Wir wollen uns anders organisieren. Von Tag 1 an nutzten wir Kanban, verwendeten Scrum in den dafür geeigneten Projekten und verschiedenste Methoden zur Ausübung von Design Thinking waren Teil unseres Werkzeugkoffers. Mit Agilität hatte unser Tun dennoch nicht viel gemein. Es gab klare Hierarchien, Entscheidungen kamen von Vanessa und mir, Kommando und Kontrolle im wahrsten Sinne des Micromanagements waren Alltag. Der Kostendruck war hoch und wir gaben uns auf diese Weise selbst die meiste Sicherheit. Aber wir waren motiviert anders zu arbeiten und gaben den Befehl, das Team solle bitte eigenständig, selbstorganisiert Lösungen für vorhandene Probleme finden – ganz agil, ohne Leitplanken natürlich. Eine klar formulierte Vision, eine Strategie oder irgendeine Richtung waren nicht existent.

„Agilität ist Chaos!“ – Das hat mir vor einiger Zeit ein Abteilungsleiter vor Projektstart zugeworfen. Wenn ich mir unseren damaligen Zustand anschaue, kann ich nicht groß widersprechen. Auch nach der Einführung eines Strategietools, von Objectives & Key Results zur Definition der Ziele und einer gemeinsam entwickelten Vision lief immer noch nicht alles rund. An einigen Stellen im Team sahen wir Gleichgültigkeit, an anderen Stellen fehlte es schlicht an Erfahrung mit den geeigneten Instrumenten. Nicht jeder lebte die Kultur, die wir uns wünschten – trotz vieler agiler Methoden.

In unserer Geschichte gab es mehrere Wendepunkte. Peer Feedbacks, Peer Recruiting und die erste Kündigung durch Kollegen waren wichtige Meilensteine unserer Reise. Dabei ging es nicht um die Tools an sich. Das Team traf in diesen Momenten zum ersten Mal unternehmerische Entscheidungen statt sich „nur“ als Fachrolle in einem Projekt zu einzubringen. Das erste Mal Selbstmanagement auf Organisationsebene. Mit diesem Schritt übernahmen sie nicht nur Verantwortung für einen Klienten, sondern für sich selbst. Denn auf diese Weise konnten sie nicht nur entscheiden, wie sie gut arbeiteten, sondern auch mit wem.

Kunde und Kontext vor Methoden und Frameworks

Bei unserer Arbeit folgen wir dem Prinzip „Mensch vor Methoden“ – eine Haltung, die im agilen Manifest ganz ähnlich formuliert wurde. Es besagt, Individuen und deren Zusammenspiel sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge. Diese Perspektive gilt nicht nur in der Produkt- und Softwareentwicklung. Sie ist ebenso anwendbar für Unternehmensbereiche, deren Teams selbstorganisiert agieren sollen. Insbesondere cross-funktionale Teams, wie sie im Kontext neuer Formen der Zusammenarbeit Standard sind, liefern keine herausragenden Ergebnisse, wenn sie nur agile Praktiken beherrschen und den vordefinierten Prozessen folgen.

Doch genau darauf wird die Arbeit im Kontext zu Agilisierung und Digitalisierung häufig reduziert: Zwei Tage Design Thinking Training, Scrum Master einstellen, Objectives & Key Results einführen – in der Transformation wird nach der optimalen Checkliste gesucht, um per Gantt-Plan „agil“ zu werden. Bei einer methodenzentrierten Agilisierung von Teams werden die Ursache und Wirkung verwechselt. Stimmen die äußeren Faktoren nicht, kann ein Team auch mit den besten Methoden und Coaches nicht agil sein. Kundengruppe und Arbeitskontext wirken stark auf die Art und Weise, wie sich ein Team organisieren muss. Sehr wahrscheinlich braucht es in Abhängigkeit davon sogar andere Personen.

Es ist nicht der Werkzeugkoffer, der einen „guten“ Handwerker macht. Ein pünktliches Erscheinen, Rücksicht auf das frisch gereinigte Wohnzimmer und ein wenig Vorbereitung, so dass alle für die Arbeit notwendigen Teile mitgebracht wurden – so lässt sich das Kundenerlebnis unkompliziert steigern. Während diese Faktoren bei Reparaturen in Privathaushalten wichtig sind, stehen auf Großbaustellen Abgabetermine, eine ordentliche Ausführung und die Zusammenarbeit mit anderen Gewerken im Vordergrund. Es braucht Empathie, Kommunikationsfähigkeiten und Organisationstalent in der Wohnung eines Privatkunden. Wissen über die Arbeitsabläufe anderer Gewerke, Teamgeist und Sorgfalt in der Zusammenarbeit liefern den Generalunternehmern auf ihren Baustellen einen höheren Mehrwert. Im Privathaushalt wie auf der Baustelle werden die Handwerker die gleichen Werkzeuge einsetzen. Kunde und Arbeitskontext verändern jedoch die Anforderung an Fähigkeiten.

Impulse zu Innovationen & agilen Arbeitswelten

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Die richtigen Probleme

Kunde und Arbeitskontext sind jedoch nur eine Dimension der äußeren Rahmenbedingungen, die Einfluss auf ein Team haben. Ein Team braucht die richtigen Probleme, damit es begeistert nach einer Lösung sucht. Es reicht, wenn Führungskräfte mit radikaler Offenheit Probleme sichtbar machen und Vertrauen in das Team haben.

Im Buch „How Google works“ berichten Eric Schmidt und Jonathan Rosenberg von einer Geschichte aus den frühen Jahren des Konzerns: Als Larry Page eines Freitagabends Adwords-Anzeigen sieht, die nur wenig Bezug zu den Suchergebnisseiten haben, ist er frustriert. Der Google-Gründer erstellt einen Screenshot der Seite, ergänzt ihn mit großen, roten Lettern und hängt in die Büroküche, wo ihn die Entwickler sehen. Pointiert schreibt er: „These ads suck.“ Fünf Programmierer finden den Ausdruck und beginnen an einer Lösung zu arbeiten. Drei Tage später präsentieren sie, was heute immer noch die Basis für den „Adwords Quality Factor“ ist – das zentrale Erfolgselement für die Werbeanzeigen und damit für den wichtigsten Umsatzbringer von Google. Das spannende: Keiner der Programmierer war im Google Adwords Team.

Das Google-Beispiel zeigt welchen Einfluss eine hohe Motivation auf die Lösungsqualität hat. Je weiter ein Projekt von den eigenen Interessen entfernt ist, desto schwieriger wird es, sich für die anstehenden Aufgaben zu motivieren. Und mangelnde Motivation führt zu mangelndem Engagement. Laut Gallup Studie aus 2017 arbeiten 9 von 10 Mitarbeitern leidenschaftslos an den ihnen übertragenen Aufgaben. Ein Fakt der im Schnitt zu 20% geringeren Umsätzen führt und die Mitarbeiterfluktuation um 24% erhöht. Selbst auf ein Team von nur 10-15 Mitgliedern bezogen entstehen laut KPMG schnell Konfliktkosten in 6-stelliger Höhe.

Mangelnde Motivation im Team löst einen Managementreflex aus: Durch die Zuteilung und Kontrolle von Aufgaben versuchen Führungskräfte die Leistung des Teams zu steigern. Durch Micromanagement sorgen sie bei den sonst motivierten Mitarbeitern für eine hohe Frustration.

Die Ursache mangelnder Motivation liegt häufig im Entwicklungsprozess eines Teams. Die Zusammenstellung für ein neues Projekt erfolgt meist nach den folgenden Mustern:

  • Bestehende Teams werden mit einer neuen Aufgabe betraut, weil sie bereits eingespielt sind und in einem anderen Kontext sehr gut abgeliefert haben.
  • Neue Teams werden bevorzugt mit Personen besetzt, die bei den verantwortlichen Managern bekannt sind und denen man vertraut.
  • Die Auswahl der Team-Mitglieder erfolgt vorrangig auf Basis von Verfügbarkeiten, weil ein Projekt schnell gestartet und durchgeführt werden muss.

Werden Teams auf diese Weise zusammengestellt, wird der Bedarf an enger Führung quasi zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Sind frühere Erfolge, persönlicher Kontakt zum Entscheider und Verfügbarkeit die Gründe für eine Projektteilnahme, so bleibt dem jeweiligen Team-Mitglied unklar, warum es mit einer bestimmten Tätigkeit betraut wurde. Wie spielen die individuellen Ziele der Person, die eigenen Fähigkeiten und das eigene Wissen mit der eigenen Arbeit zusammen? Die Begeisterung fehlt, die Motivation sinkt.

Mangelnde Motivation löst einen Managementreflex aus: Durch die Zuteilung und Kontrolle von Aufgaben versuchen Führungskräfte die Leistung des Teams zu steigern. Der Fokus verschiebt sich, statt Probleme zu skizzieren, nehmen sie immer mehr Freiraum und sorgen durch Micromanagement bei sonst motivierten Mitarbeitern für hohe Frustration. Denn diese Führungsform nimmt dem Team die ohnehin schwache Arbeitsbegründung und macht es zu ausführenden Werkzeugen.

In seinem Buch „Start with why“ verdeutlicht Simon Sinek die Bedeutung des „Warums“. Ohne klar formulierte Probleme und ein Zielbild, das es zu erreichen gilt, kann keine Heldenreise entstehen. Es braucht also einen Perspektivwechsel: Statt ein Team zusammenzustellen und mit einem Projekt zu beauftragen, muss ein Problem sichtbar gemacht werden und durch eine Gruppe begeisterter Personen gelöst werden.

Damit sich Team-Mitglieder finden, die ein Problem motiviert, nach New Work Maßstäben selbstgeführt und engagiert zum Erfolg machen, müssen die drei Fragen von Sineks Golden Circle in Bezug zum Problem und dem gewünschten Mehrwert der Lösung, dem Ergebnis, geklärt sein:

  • „Warum gibt es dieses Team? – Welches Problem gilt es zu lösen?
  • „Was soll dieses Team für seine Kunden leisten?“ – Welcher Mehrwert soll durch das Ergebnis erbracht werden?
  • „Wie soll das Team vorgehen?“ – Nach welchen Prinzipien soll das Team agieren?

Wie schon Steve Jobs in seinem bekanntem Zitat anmerkt, ergibt es keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen, um ihnen dann Selbstbestimmung und Freiraum zum eigenen Handeln zu nehmen – zwei zentrale Prinzipien erfolgreicher New Work Teams. Klar definierte Probleme und Ergebniserwartungen, sind Fundament für ein erfolgreiches Hochleistungsteam.

Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun können.

Steve Jobs
Gründer von Apple

Einfluss von Ressourcen

Neben dem Kunden- und Arbeitskontext sowie den zu lösenden Problemen wird die optimale Teamauswahl ebenfalls durch die verfügbaren Ressourcen beeinflusst. Zeitliche und finanzielle Mittel, Teamgröße und -verfügbarkeit, Räume und Hilfsmittel in der Zusammenarbeit.

Ein Beispiel aus der Praxis von Me & Company: Vor einigen Jahren erhielten wir den Auftrag zur Entwicklung einer Plattform zur Vernetzung von weltweit verteilten Redaktionen. Unser Team plante Interviews mit Reportern, Redakteuren und weiteren Nutzergruppen der Plattform durchführen. Das Team hatte Design Thinking als übergeordneten Prozess gewählt und sich hierzu einen Customer Researcher mit an Board geholt. Nach einigen Gesprächen mit unserem Kunden stellte sich heraus, dass wir aus unterschiedlichen Gründen keinen Zugriff auf die künftigen Nutzer haben würden. Sie könnten zwar Feedback geben, aber für Interviews und Beobachtungsstudien gab es keine Zeit im hektischen Alltag der Redakteure. Die Ressourcenlage veränderte sich und das Team entschied, dass es aus diesem Grund auf Lean Startup als leitenden Prozess wechseln würde. In Folge dessen entwickelten sie einen kleinen Prototyp, der mit den Ansprechpartnern abgestimmt und schließlich schrittweise ausgestaltet wurde. In diesem Ablauf war es für unseren Customer Researcher nicht mehr sinnvoll, Teil des Projektteams zu sein. Weder konnte er sein persönliches Ziel verfolgen, tiefsitzende Bedürfnisse der Nutzer aufzudecken, noch waren seine Fähigkeiten oder seine Werkzeuge zu diesem Zeitpunkt des Projektes sinnvoll einzubringen. Da er dem Team keinen Wert erbringen konnte, verließ er es und wandte sich anderen Aufgaben zu.

Die einem Projekt oder Team zugrundeliegenden Ressourcen und Prinzipien des Vorgehens sind ein wichtiger Einflussfaktor bei der Zusammenstellung des Teams. Mit einem Design Sprint kann bei Zeitmangel mehr erreichen werden als mit einem Design Thinking Prozess. Das Prinzip „Starte klein und skaliere bei Erfolg“ verringert im Kontext zu einer nicht erreichbaren Kundengruppe die Verschwendung feinkonzeptioneller Ausarbeitung – und den Frust, wenn die Ideen nicht greifen. Abhängig von diesen Rahmenbedingungen verändern sich die sinnvollen Werkzeuge, Fähigkeiten und die zur Durchführung notwendige Motivation.

Team Foundation Model

Ein optimal ausgewogenes Team ist besonders leistungsstark, resilient und so verzeichnet herausragende Erfolge. Es hat Spaß und ist motiviert, sich mit einer bestimmten Problemstellung zu befassen. Es hat alle zur Lösung nötigen Fähigkeiten und besitzt den richtigen Kompetenzgrad, um passende Werkzeuge auszuwählen und in Anwendung zu bringen.

Diese Grundlagen treffen insbesondere auf den New-Work-Kontext zu: In vielen Unternehmen werden Initiativen zur neuen Zusammenarbeit gestartet, mehr Freiraum gegeben und auf Selbstorganisation gesetzt. Das stellt die Teams vor besondere Herausforderungen, müssen sie sich nicht nur mit dem neuen Projekt befassen, sondern auch mit neuen Werkzeugen, Fähigkeiten und einer anderen Motivation. Aus diesem Grund wird New Work in der falschen Team-Zusammensetzung auch mit den besten Coaches nicht zum Erfolg werden.

Damit bereits vor Start eines New-Work-Projekts die passenden Personen für das Team ausgewählt werden, haben wir das „Team Foundation Model“ entwickelt. Es liefert Antwort auf die Frage: „Welche Fähigkeiten, welche Werkzeuge und welche Motivation sind nötig, um ein für dieses Team spannendes Problem im Rahmen von definierten Prinzipien und Ressourcen zu einem gewünschten Ergebnis zu führen?“

Natürlich verändert sich die Welt mit der Zeit. Es entstehen neues Wissen und Erfahrungen. Die Rahmenbedingungen sind oftmals nach einigen Wochen und Monaten neu zu definieren. Das „Team Foundation Model“ hilft sowohl der Teamführung als auch dem operativen Team, diese regelmäßig zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. In der Konsequenz kann dies auch eine Veränderung im Team nach sich ziehen.

Bei Me & Company arbeiten wir seit 2016 in einem hochagilen Organisationssystem namens Holacracy, das wir auf unsere Bedürfnisse angepasst haben. In diesem können sich Teams sehr schnell gründen und ebenso schnell auflösen. Eines der Ziele unserer Adaption, der MeCracy, ist es, die Team-Mitglieder zu befähigen, den größtmöglichen Wert für Gesellschaft, Klienten und uns als Organisation zu bringen. Zu diesem Zweck hinterfragen wir alle sechs Monate die Zusammenstellung jener Teams, die sich mit dem Unternehmen Me & Company befassen. Wir nennen diese Praktik „Holon Drafting“. In einem strukturierten Prozess werden die Probleme und Ziele der Organisation sichtbar gemacht. Die Teams machen ihren Bedarf transparent und konfigurieren sich selbstorganisiert neu (s. MeCracy S.96). So gewährleisten wir eine optimale Zusammenstellung für die jeweils zu bewältigenden Aufgaben.

Das Team Foundation Model hilft uns dabei, die richtigen Fragen zu stellen. Auf dieser Basis können wir in weniger als einem Tag die Teamstruktur von derzeit sechs Arbeitszirkeln, unseren Holons, neu aufsetzen.

Pioniere und neue Besen

Ein Beispiel aus der Verlagswelt das zeigt, wie wichtig es ist, Rahmenbedingungen und Team-Zusammenstellung anhand der Faktoren des „Team Foundation Models“ in Einklang zu bringen, ist die Geschichte von Erv Barbre und West Publishing.

West Publishing ist ein Verlagshaus mit 145-jähriger Tradition. Die 100%-ige Tochter von Thomson Reuters sieht ihre Aufgabe darin, das Leben von Juristen mit Rechercheprodukten zu erleichtern. Nach mehrjährigem, respektablem Wachstum war West 2001 in die Stagnation gedriftet. Die Bestandskunden waren auf das neue Onlineangebot Westlaw gewechselt. Der Markt war gesättigt. Es kriselte.

Mit Hilfe von Kundenforschung entdeckte das Team rund um Erv Barbre, Leiter der Produktentwicklung, eine Idee mit großem Marktpotenzial. Das Problem: Aufgrund des Umfangs, der Komplexität und neuen Produktkategorie war es ausgeschlossen, die bestehende Organisation für die Entwicklung einzuspannen. Für die bestehenden Dienstleistungen waren eine hohe Akribie und niedrige Fehlertoleranz nötig. Das Team hatte seine Abläufe und Werkzeuge entsprechend dieser im Kontext sinnvollen Fähigkeiten strukturiert, so dass es den Kundenbedürfnissen optimal gerecht wurde. Für das neue, zu entwickelnde Produktfeld hätten die gleichen Fähigkeiten, Prinzipien und Werkzeuge jedoch zu einer sehr langen Entwicklungszeit geführt. Die Wirtschaftlichkeit hätte nicht mehr sichergestellt werden können. Zudem war das akribische Vorgehen des Bestandsteams für das neue Produkt aufgrund eines anderen Schwerpunktes bei weitem nicht so wichtig für den Erfolg. Eine Veränderung des Vorgehens hätte Monate in Anspruch genommen, zugleich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Konflikten mit den Teams der Bestandskunden geführt.

Auch die Alternative, ein vollständig neues Team aufzubauen, war nicht die Lösung. Da es sich bei der neuen Idee ebenfalls um ein sehr spezifisches Rechtsprodukt handelte, war entsprechendes Fachwissen als Werkzeug eine elementare Erfolgsgrundlage. Auch das Wissen um die bestehenden Systeme und Prozesse von Westlaw waren wichtig, damit es sich die vorhandene Plattform teilen konnte. Ein neues Team hätte das notwendige Unternehmens- und Fachwissen jedoch nicht mitbringen können.

Also begab sich Barbre im bestehenden Team auf die Suche nach Menschen mit Interesse am neuen Thema. Er suchte nach Begeisterung, nach Motivation und stellte einen Teil der neuen Entwicklungsmannschaft aus den erfahrenen Experten aus dem eigenen Haus zusammen. Für die zu ergänzenden Werkzeuge stellte er neue Mitarbeiter ein und brachte sie mit dem Bestandsteam zusammen. Die Kombination ermöglichte den optimalen Zugang zu Werkzeugen und Wissen innerhalb der Organisation. Not-Invented-Here-Symptome blieben aus. Reibungsverluste durch die unterschiedlichen Herangehensweisen alter und neuer Kollegen konnten vermieden werden. Aufgrund einer zu den Rahmenbedingungen passenden Zusammensetzung des Teams ergänzten sich die verschiedenen Arbeitsmodi von Bestandsorganisation und Entwicklungsteam.

Im Ergebnis entstand eine sehr erfolgreiche Erweiterung zum bestehenden Westlaw-Portal. Mit der neuen Datenbank für rechtliche Strategiepapiere brachte das Team auf diese Weise im Jahr 2007 das Wachstum auf 7% – deutlich über Branchenschnitt. Es verhalf dem Unternehmen wieder auf Kurs. (Quelle: HBR)

Keiner ist perfekt

Agile Führungskräfte greifen nicht als Entscheider oder Manager in die operative Arbeit eines Teams ein. Im Kontext zu New Work ist es eine zentrale Aufgabe von Anführern, nach Defiziten im Team zu schauen und diese gezielt auszugleichen. Hierzu kann die Führung als erfahrner Coach sinnvolle Werkzeuge oder Erkenntnisse andienen, kann als Systementwickler die Leitplanken verändern oder als leidenschaftlicher Visionär für die Sache überzeugen.

Auf dem Weg von Forming zu Performing Phase steigt die Sichtbarkeit der Team-Foundation. Die tägliche Zusammenarbeit deckt die Defizite der Gruppe bereits nach einigen Wochen auf. Ein wichtiger Moment, denn jedes Team ist ein komplexes System. Erst die Dynamik des Alltags erlaubt es Stärken und Schwächen zu erkennen. Im Umkehrschluss heißt dies, jedes durch Dritte zusammengestellte Team kann auf dem Papier nur als Prototyp funktionieren. Die Praxis eröffnet schließlich den Handlungsbedarf.

Kein Team ist perfekt. Selbst wenn Fähigkeiten und Motivation eines Teams stimmen, können sich Arbeitsabläufe schnell als nicht optimal zeigen. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Gruppe „unfertig“ in ihrer Ausbildung ist. Es mag an Informationen, an Erfahrung, möglicherweise tatsächlich an den richtigen Werkzeugen mangeln. Die Lösung sind Trainings, andere Lernformate oder ein zielgerichtetes Gespräch. Die Leistungsfähigkeit lässt sich mit einfachen Mitteln unkompliziert herstellen. Aber Vorsicht: Dass es einem Team an Werkzeugen fehlt, kann eine Diagnose zu oberflächlicher Untersuchung sein. Wird die Dynamik der Gruppe falsch gedeutet, sind Investitionen in Wissensmaßnahmen fruchtlos.

Schwieriger wird es, wenn Werkzeuge und Motivation zur Problemdefinition passen, die Gruppe jedoch nicht alle nötigen Fähigkeiten zu Bewältigung der Herausforderung besitzt. Ist ein Team „unfähig“, so braucht es Leitplanken, mit deren Hilfe Fehler im Ablauf oder falsche Entscheidungen vermieden werden. Die gute Nachricht: Auch Fähigkeiten entwickeln sich weiter. Die schlechte: Es braucht viel Zeit. Laut Malcom Gladwell und dem schwedischen Psychologen Anders Ericsson rund 10.000 Stunden. Einer introvertierten Person zur begeisternden Bühnenfigur zu verhelfen, erfordert viel Geduld und kleine Schritte. Dass es sich lohnt an Fähigkeiten zu arbeiten, zeigen Beispiele bekannter Unternehmer wie Warren Buffet, Bill Gates oder Marc Zuckerberg – allesamt introvertierte Persönlichkeiten, die es zu inspirierenden Personen des öffentlichen Lebens geschafft haben. Ist Zeit jedoch ein kritischer Faktor, muss an dieser Stelle die Führungskraft als Systementwickler die Zusammensetzung des Teams, vielleicht sogar gemeinsam mit der Gruppe, überdenken.

Passen Fähigkeiten und Werkzeuge zur Problemstellung, es fehlt jedoch an Motivation, dann gibt es zwei mögliche Gründe: Entweder ist die Vision nicht stark genug oder die betroffenen Personen können keine Leidenschaft für das Problem aufbringen. Sind Storytelling und die Aussicht auf eine spannende Reise nicht ausreichend motivierend, ist ein herzliches „Auf Wiedersehen“ ein für alle Beteiligten guter Weg. Wie Frijdhof Bergmann sagt: „New Work ist die Arbeit, die ein Mensch wirklich, wirklich will.“ Aber wir sollten niemanden zwingen.

Team Foundation Canvas

Für eine kollaborative Erarbeitung der Grundlage eines New Work Teams haben wir den passenden Team Foundation Canvas entwickelt. Die für die Arbeit mit Post-Its optimierten Felder decken alle relevanten Aspekte des Modells ab.

Der Team Foundation Canvas ist kostenlos verfügbar und kann frei genutzt werden. Er kann von unserer Website heruntergeladen werden.

Fazit: New Work abseits der Kickertische

Was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Es wird nicht weniger Arbeit geben, aber sie wird sich verändern – immer und immer wieder. Statt bei der Zusammenstellung und der Entwicklung von Teams nur in Werkzeugen zu denken, müssen Fähigkeiten und Motivation darauf ausgerichtet sein, Veränderung als konstanten Bestandteil zu sehen. New Work steigert die Resilienz eines Teams, also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie für die eigene Weiterentwicklung zu nutzen.

Damit „Neue Arbeit“ erfolgreich im Unternehmen erprobt werden kann, muss sich die Perspektive ändern: Nicht die New-Work-Methoden machen ein Team erfolgreich. Es wird nur das Team erfolgreich sein, das motiviert ist nach New Work zu arbeiten, die richtigen Fähigkeiten zusammenbringt und zudem weiß, welche Werkzeuge es gibt und schnell lernt, wie sie funktionieren. Führungskräfte müssen statt einer Kultur der Methoden eine Kultur des Lernens etablieren.

Es ist Aufgabe des Teams, sich zu finden und nach den besten Ergebnissen zu streben und die richtigen Werkzeuge zu wählen. Die Aufgabe von Führungskräften: Begeistern, das System entwickeln und Rahmenbedingungen schaffen, Wissen vermitteln und Anführer sein – aber bitte nicht Micromanagen.

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